Ich habe es wieder getan- ich habe mir wieder eine Ginger Jeans genäht.
Zu diesem Schnitt muß man eigentlich gar nichts mehr sagen. Vermutlich kennt jede Hobbyschneiderin diesen Schnitt. Ginger von Closet Case Files war der erste Jeans-Schnitt, der das Jeansnähen auch für die nicht ganz so versierten Näherinnen ermöglichte. Seit seiner Erscheinung im Herbst 2014 wird Ginger durch alle Nähblogs rauf und runter genäht. Zu recht ist dieser Schnitt so beliebt: ein guter, ausgefeilter Schnitt, dazu eine ausführliche Anleitung und einen Sewalong auf dem Blog von ClosetCase- da bleibt kein Wunsch der Hobbynäherin offen.
Auch ich hatte mich kurz nach Erscheinen des Schnittes daran gewagt und zwei ganz annehmliche und tragbare Hosen produziert. Lieblingsstücke wurden es allerdings nicht. Die technischen Schwierigkeiten wie Reißverschluss und die Abstepperei hatte ich dann schon irgendwann gemeistert, aber ich kam mit dem Anpassen nicht klar. Die Hosen paßten zwar besser als manche Kaufhose, aber eben nicht optimal.
Diese Probleme führten mich dann in meinen ersten Kurs für Schnittkonstruktion, in dem ich einen Hosengrundschnitt für mich selbst konstruierte. Nun wurde die Sache mit der Paßform für mich natürlich einfacher, und ich nähte mir zwei recht gut passende Hosen nach meinem Grundschnitt. Die allerdings fand ich dann nicht schick, weil ich bei der einen die Taschen zu groß konstruiert hatte und die andere zu weite Hosenbeine hatte…hier hätte ich also weiter probieren müssen, um eine Hose nach meinen Ideen zu produzieren. Aber das Hosen nähen ist schon zeitaufwendig, die ganzen Einzelheiten mit Verschluß, Taschen, Bund, was so dazu gehört…ich hatte es dann zwischendurch aufgegeben und mich lieber anderen Projekten gewidmet, die rascheren Erfolg und damit mehr Lustgewinn beim Nähen versprachen.
Aber für meine Frühjahrsgarderobe fehlte mir noch eine graue Jeans in Skinny-Form. Nachdem der Versuch, sie käuflich zu erwerben, kläglich scheiterte ( in der Unkleidekabine stellte ich mir die Frage, wer an Wahrnehmungsproblemen leidet: die Verkäuferin, die die Hose an mir in den höchsten Tönen lobte, oder ich, die dachte: na, wenn das ein selbstgenähtes Teil wäre, würde ich es gleich in die Tonne werfen), also das war keine Option mehr für mich.
Zeitgleich flatterte ein neues Angebot von Heather Lou, der Designerin von ClosetCase, in mein Postfach: ein Videokurs übers Jeansnähen, verbunden mit einer neuen Schnittvariante der Ginger Jeans, nämlich eine mittlere Leibhöhe. Die Original Ginger ist ja entweder sehr tief auf der Hüfte sitzend, oder sehr hoch bis zum Nabel- ich hatte bei meinen bisherigen Versuchen immer versucht, die hüftige Form zu verlängern, war aber vielleicht auch nicht der richtige Weg.
Also Videokurs gebucht, Schnitt zum Plotten geschickt und einen Stoff aus dem Vorrat ausgesucht, einen grauen Stretch-Denim, der schon eine Weile auf seine Bestimmung wartete. Der Stoff war eine mäßig gute Entscheidung, wie ich dann beim Nähen und Tragen feststellte. Er hat zwar eine schöne Dehnbarkeit, mindestens 10%, ist aber trotzdem sehr kräftig und nicht ganz so weich, wie man es bei einer Skinny-Jeans ja gerne hat. Überhaupt finde ich die Stoffwahl bei den Stretch-Jeans sehr schwierig. Der Stoff soll ja weich und dehnbar sein, trotzdem eine gute Rücksprungkraft haben. Offenbar geht das auch nicht ohne einen gewissen Polyesteranteil im Stoff, soviel habe ich dann schon in der ersten Lektion des Videokurses von Heather Lou, der Designerin von ClosetCase, gelernt. Polyester mag ich sonst nicht so gerne in meiner Kleidung, aber vielleicht muß ich bei der nächsten Jeans dann doch mal so eine Mischung probieren
Bei der Schnittanpassung habe ich diesmal meinen Grundschnitt zu Hilfe genommen und vor allem die Schrittkurve daran angepaßt.
Der Schnitt enthät wie die meisten amerikanischen Schnitte bereits eine Nahtzugabe, die mußte ich zur Anpassung zunächst entfernen. Die Nahtlinie der Gr. 8 ist die Bleistiftlinie auf dem Bild oben. Man sieht schon die Abweichungen: die Schrittkurve meines Grundschnittes ist tiefer und L-förmig, die hintere Mittelnaht steht steiler und vor allem ist die Schrittlänge länger.
Auch im Vorderteil ist die Schrittkurve meines Grundschnittes tiefer als der Fertigschnitt von Closetcase. Es sind alles keine großen Änderungen, die Abweichungen bewegen sich alle im Bereich von maximal 1 cm, aber im Schrittbereich scheinen auch diese kleinen Abweichungen eine große Rolle zu spielen. Es gibt auf dem Blog von Closet Case ein kleines Kompendium über Jeansanpassung. Da finde ich auch die meisten meiner Änderungen wieder: ich habe ein „round pubis adjustment“ durchgeführt, weiterhin ein „low butt adjustment“ und ein „flat seat adjustment“. Ich habe Gr. 8 genäht, in der Taille Gr. 10 und die Länge um 3 cm gekürzt.
Und das Ergebnis ist recht zufriedenstellend, denn die Jeans paßt mir wirklich besser als die früheren Versionen dieses Schnittes.
Der Videokurs „Sew Your Dream Jeans“ von Heather Lou ist natürlich absolut professionell gemacht, wie alles, was sie veröffentlicht. Ich hatte erst Bedenken, ob ich ihr Englisch verstehen würde, denn sie hat ein relativ hohes Sprechtempo. Aber man hört sich rasch ein, und ich glaube, daß ich die meisten Dinge verstanden habe. Die Schnittanpassung kommt leider nur kurz vor, sie zeigt an einem Beispiel, wie sie ein genähtes Probemodell anpaßt. Hier hätte ich mir mehr Beispiele, vielleicht an verschiedenen Figurtypen, gewünscht. Die Einteilung der Videolektionen entsprechen im wesentlichen den Teilen des Sewalongs auf dem Blog und bringen natürlich keine grundlegend anderen Informationen. Trotzdem fand ich es schön, beim Nähen immer mal wieder das Video parallel laufen zu lassen. Manche Handgriffe konnte ich mir abschauen, es war wirklich ein bißchen wie ein Nähkurs mit einer erfahrenen Dozentin. Das schönste am Video fand ich persönlich die Begeisterung fürs Jeansnähen, die für mich bei Heather Lou spürbar ist. Ich finde es immer schön, wenn jemand voll und ganz hinter dem Produkt steht, daß er oder sie verkauft, da ist es dann egal, ob das Biokarotten oder Jeansschnitte sind. Und letztendlich macht das ja auch einen Teil des Reizes der Indie-Schnitte aus: wir interessieren uns auch für die Persönlichkeit der Designerin, schauen , ob sie uns authentisch erscheint und ob wir uns vielleicht sogar mit ihr identifizieren können.
Das Nähen der Jeans war dann recht problemlos. Eine Entdeckung fürs sichtbare Absteppen war für mich der Kantennähfuß, das wurde wirklich deutlich exakter als der normale Nähfuß. Für die Innentaschen habe ich ein Liberty-Schätzchen angeschnitten, das ich farblich so schön zu meinem Jeansstoff fand.
In jedem Blogpost über Jeans folgt eine ausführliche und zerknirschte Analyse der Hosenfalten, die man beim Tragen der Jeans produziert, verbunden mit dem Versprechen, diese Falten bei der nächsten Fassung zu eliminieren. Ich denke auch, daß ich meinen Schnitt noch optimieren kann, aber bin davon überzeugt, daß man eine Hose aus Webstoff nie ganz faltenfrei hinbekommt. Auch wenn der Stoff viel Stretch hat , ist es nun mal kein Strickstoff. Da ich mich in der Hose auch noch bewegen und vor allem hinsetzen will, brauche ich zumindest an der Oberschenkelrückseite einige Bewegungsfalten.
Am meisten störend finde ich die Falten über dem Knie, die Hose schiebt sich hier beim Tragen und vor allem beim Radfahren deutlich zusammen und rutscht nicht wieder über die Wade zurück. Hier brauche ich wohl noch das „full calf adjustemetn“, das aber auch bei ClosetCase gut beschrieben ist.
Das Shirt ist übrigens eine FrauLiese von Schnittreif, genäht aus einem Jersey von ArtGallery .
Mit diesem Outfit fühle ich mich sehr wohl an diesen ersten schönen Frühlingstagen.
Was tragen denn die anderen Selbernäherinnen heute? Das zeigt die Galerie des Memademittwoch!
Ach ja, Ginger – habe ich auch mittlerweile 5mal genäht. Ich finde Deinen Stoff ausgesprochen schön und die helle Absteppung perfekt dazu. Schade, dass Deine Kaufberatung so schlecht war. Die Erfahrung habe ich auch oft gemacht. LG, Tanja
Liebe Tanja, danke! Ja, fürs Klamottenkaufen wird man ja verdorben durch die Näherei, da steigen einfach die Ansprüche. Und 5 Ginger finde ich ausgesprochen sportlich!
LG Barbara
Vielen Dank für deinen interessanten Bericht zum Jeansnähen. Dein Enseble gefällt mir sehr gut.
Danke! Ich freue mich, wenn Dir mein Bericht gefallen hat!
LG Barbara
Ja, die Ginger. Die liegt als nächstes Projekt auf meinem Nähtisch. Deine Erfahrungen mit Jeanskäufen und auch Jeansnähen decken sich sicherlich mit vielen von uns. Ich habe auch einmal einen Schnittkurs extra für Hosen besucht und das Ergebnis war, dass ich diese Hose niemals anziehen würde! Was da als mein Traumschnitt angepriesen wurde war ein totaler Reinfall und ich habe mich sehr geärgert hier viel Zeit zu investieren. Ich habe schon ein paarmal den Jeansschnitt von StoffundStil genäht und bin sehr zufrieden damit. Aber die Ginger, die kommt jetzt dran.
Aber Deine Jeans sitzt gut finde ich und Du hast sehr schöne Absteppungen gemacht. Weiter so. Ich bin auf Deine nächste Hose gespannt.
Liebe Grüße Epilele
Liebe Epilele, vielen Dank! Ich glaube, daß so ein Grundschnitt nicht 1:1 als KLeidungsschnitt genäht werden kann. Da muß noch viel Design dazu, und das überlasse ich einfach gerne den Schnitterstellerinnen. Ginger kann ich nur empfehlen, und dann freue ich mich schon auf Dein Modell!
LG Barbara
Tolle Jeans! Ich mag den Stoff, den du verwendet hast.
LG Julia
Liebe Julia, vielen Dank! Ja, mittlerweile gefällt mir der Stoff auch ganz gut, wobei ich ihn immer noch als etwas zu dick für diesen Schnitt halte
LG Barbara
Sieht toll aus und ich kann das mit der Verkäuferin verstehen. Gerade erst letzte Woche habe ich erfahren das 34 länge nicht in ist ;), da die Hosen sonst zu lange sind und sie deshalb nicht im Laden gibt. Aha! Ich finde beim Jenasnähen auch schwierig den richtigen Stoff erwischen. Deshalb zögere ich glaube ich immer wiede reine anzugehen.
glG Melanie
Ja, der richtige Jeansstoff für den richtigen Schnitt, das ist glaube ich auch eines der Probleme beim Jeansnähen. Die Industrie hat da einfach noch andere Möglichkeiten. Wahrscheinlich muß man da einfach etwas probieren.Trotzdem macht Jeansnähen undbedingt Spaß, und gerade wenn Du so lange Beine hast, bist Du sicher die geeignete Kandidatin für selbstgenähte Jeans!
LG Barbara
Sehr chic!
Der Schnitt liegt hier auch noch ausgeschnitten und wartet darauf, benutzt zu werden.
Danke fürs Erinnern .
Gruß, Astrid
Liebe Astrid, vielen Dank! Und wenn der Schnitt schon ausgeschnitten ist, ist doch schon der erste Schritt gemacht…
LG Barbara
Deine Hose ist super. Ich wünschte, ich hätte einen Ginger-Po, aber mit dieser Hose wird es nichts werden bei mir. Die Falten unter dem Po konnte ich bei meiner Ottobre-Jeans durch Dehnen der rückwärtigen inneren Beinnaht von etwas über dem Knie bis zum Schritt reduzieren. Burda macht das meistens bei figurbetonten Hosen, für mich hat sich das bewährt.
Viele Grüße, Stefanie
Liebe Stefanie, danke! So einen richtig knackigen Ginger-Po habe ich ja auch nicht, aber ich finde, wenn die Jeans halbwegs sitzt, sieht auch ein flacher Po besser aus. Die Dehnung der inneren Beinnaht hat Ginger übrigens auch. Ich denke , man muß nicht alle Falten der Jeans elimnieren, vor allem wenn man vielleicht nicht alle Einzelheiten der Figur nachzeichnen möchte. Wir sind doch alle keine 20 mehr…
LG Barbara
Das alle Falten verschwinden sollten finde ich auch gar nicht gut, das geht ja nur bei Massen von Elasthan und gut sieht es auch nicht unbedingt aus.(nicht einmal bei Zwanzigjährigen) Ich hatte den Eindruck, dass Dich die Falten stören würden, daher mein Tipp. Ich finde, es sieht sehr O.K. aus. Bei mir sind die Hüften eher schmal und der Po steht heraus, das kann man gar nicht anpassen, selbst mit zwei Zentimetern weniger in der Innennaht habe ich noch Falten unterm Po, das ist halt so und stört mich nicht besonders.Meine Alternative sind weite Hosen, das passen auch die Kompressionsstrümpfe drunter.
LG, Stefanie
So ein Grundschnitt ist schon sehr praktisch und wenn man ihn nur dazu verwendet, um andere Schnitte zu prüfen und mit Details anzupassen. Zum Glück gibt es einen Kaufhosenschnitt, der mir recht gut passt, so dass ich im Moment keine Hosen nähen muss.
Grüßle Bellana
Liebe Bellana, Danke! Ich verwende meine Grundschnitte wirklich vor allem dazu, um andere Schnitte anzupassen, aber ich finde sie da auch außerordentlich wertvoll. Und auch der Prozess der Schnitterstellung selbst hat mir sehr geholfen, Schnittkonstruktion besser zu verstehen.
Aber ich denke genauso wie Du: man darf sich auch Klamotten kaufen, wenn sie einem gefallen und gut passen!
LG Barbara
Danke für den informative Post, hat mir gut geholfen bei der Entscheidung für Schnitt etc. Gestern bin ich allerdings doch am viel gelobten Reissverschluss hängengeblieben. Hier wird in Den Notizen erwähnt, dass der Abstand von den Zähnen zur Mitte max.0.8cm betragen soll. Ich rätsele, welcher Abstand damit gemeint ist, so wie ich es gerade verstehe, komme ich damit nie hin mit der Ausrichtung der RV-Kante an die Vordere Mitte wie beschrieben bze. wie abgebildet. Weißt Du, was ich meine und hast mir vielleicht einen Tipp?
LG mascha
Liebe Mascha, ich freue mich sehr, daß Dir mein Beitrag gefällt und daß er Dir weitergeholfen hat!
Die RV Anleitung ist bei diesem Schnitt wirklich korrekt, man kann einfahc blind jedem Schritt vertrauen. Mir ging es beim ersten Mal auch so, daß ich mir nicht vorstellen konnte, wie es funktioniert. Bei normalen Reißverschlüssen kann man einfach die linke Kante vom RV mit der vord Mitte überlappend bringen. Die Breite des Bandes, also der Abstand der Zähne zum Rand des RV ist ungefähr 0,8 cm. Aber es gibt auch breitere Reißverschlüsse, da muß dann der Rand etwas weiter nach links geschoben werden, also links von der vord Mitte liegen. Rechts und links immer so gemeint, wie man draufschaut. Die Bilder stimmen, brauchen aber immer einen zweiten Blick, auf den ersten Blick erschliesst sich das nicht! Ich hoffe, das hilft, sonst melde Dich gerne noch mal!
LG Barbara