
Selbstgenähte Kleidungsstücke haben immer eine interessante Vorgeschichte. Nicht nur, daß natürlich der Prozess des Nähens interessant ist, nein, auch schon vorher müssen ja Stoff und Schnitt ausgesucht werden. Und noch davor steht der Entscheidungsprozess, was denn nun eigentlich genäht werden soll. Ich denke, jeder oder jede, die viel näht, kennt dieses Dilemma. So viele Ideen, schöne Schnitt und bezaubernde Stoffe- ja, was nähe ich denn da als nächstes?

Und dieser Entscheidungsprozess geht manchmal sehr krumme Wege, um doch zu einem schönen Ergebnis zu führen. So ging es mir jedenfalls mit diesem Blazer in zartem Pastellrosa, der jetzt meine Frühlingsgarderobe bereichert.
Am Anfang war der Wunsch nach einer neuen Jeans.
Ich wußte genau, wie sie aussehen sollte. Ein legerer Schnitt, so etwas boyfriend-Mäßiges, eine schöne hellblaue Waschung, eine lockere Paßform, so daß ich die Hose auch zum Wandern oder Radfahren gut anziehen kann. Ich wußte das alles so genau, da diese Hose sich schon in meinem Besitz befand und ich sie auf den Bildern in diesem Beitrag trage.

Diese Hose hat aber einen großen, großen Fehler- sie ist nicht selbst genäht. Ja, es ist eine böse Kaufhose, irgendwann im letzten Jahr bestellt, durch Werbung beeinflußt…und ich liebe sie. Sie paßt mir nicht wirklich, aber bei einer Boyfriendhose ist das ja auch gar nicht erwünscht. Ich trage sie gerne und viel, aber mit zunehmend schlechten Gewissen. Das darf doch gar nicht sein, daß ich eine Kaufhose so toll finde! Geht doch sicher selbstgenäht viel besser, wenn ich so eine Hose nachnähe, mit besserer Paßform, das würde doch sicher ein Lieblingsstück werden…also ich brauchte eine neue Jeans.
Also machte ich mich auf der Suche nach einem entsprechenden Schnitt. Fündig wurde ich bei dem französischen Label I am Pattern. Hier gab es die Jeans I am Sunshine, die meinen Vorstellungen und meiner bösen Kaufhose ziemlich gut entsprachen.

Diese Hose wollte ich nähen, das würde so toll werden! Der Schnitt wurde gleich bestellt und auf die geduldige Festplatte geladen. Mitgeladen wurden auch zwei andere Schnitte des Labels, die es im Bündel günstig angeboten gab. Ein Schnitt für ein Sweatshirt oder eine Sweatjacke- kann man immer brauchen, und dann noch ein Jackenschnitt, eber dieser Fullmoon-Blazer. Die Jacke fand ich ganz witzig, ich mochte diesen langgezogenen Reverskragen, und im Bündel war das ganze wie gesagt günstiger.

Aber nähen wollte ich ja sofort die Hose. Leider fand ich aber keinen Stoff dafür. Jeansstoffe sind nicht so einfach zu bekommen, man muß da immer auf die richtige Gelegenheit warten, bis es die gewünschte Qualität in der gewünschten Farbe gibt. In diesem Fall hatte ich keine gute Stoffoption für die Jeans. Auf Sweatshirtnähen hatte ich grade keine Lust- so rückte der Blazer nach vorne in den Nähplänen. Denn für den hatte ich einen passenden Stoff gerade bekommen: einen zauberhaften blaßrosa Cordstoff von Atelier Brunette. Und da Atelier Brunette ja so viele Stoffe in der gleichen Farbrichtung anbietet, gab es auch einen passenden Futterstoff dazu. So stand der Plan für ein Nähprojekt fest: es sollte dieser rosafarbene Blazer werden.

Ich gebe ja zu, daß ich das ganze Projekt anfangs unterschätzt hatte. Ich hatte den Schnitt eher so als legere Übergangsjacke verstanden , und dieser tolle langgezogene Kragen hat es mir einfach angetan. Über die Paßform hatte ich mir keine großen Gedanken gemacht- ich hatte einige Maße am Schnitt kontrolliert und fand das ganze eher lässig sitzend, so war ja auch meine Erwartung an das fertige Teil. Wenn schon keine Boyfriend-Jeans, dann jedenfalls eine lässige Jacke!
Für mich war es der erste Schnitt von I am Patterns, den ich genäht habe. Ich bin insgesamt recht zufrieden mit Schnitt und Anleitung, es ist alles sehr professionell gemacht. Die Anleitung gibt es auf französisch und englisch, damit sollte jeder zurecht kommen. Der Futterschnitt wird nach Anleitung aus den Hauptteilen entwickelt, aber das ist genau beschrieben, um wieviel kürzer der Saum für das Futter sein soll und wo die Falte im Rückenteil sein soll. Ich kam damit gut zurecht, mir ist das lieber als drölfzig Teile für einen Extrafutterschnitt, der nachher vielleicht doch nicht paßt, weil man am Hauptteil Änderungen vorgenommen hat.

Der Cord von Atelier Brunette ist wirklich ein Traum. Er ist super zu verarbeiten, auch das übliche Cordfusseln ist hier wenig ausgeprägt. Der Futterstoff, eine Viskose, machte dafür ihrem Ruf als Flutschi-Viskose alle Ehre. Ich war ja schon froh, daß ich hier „nur“ ein Futter zuschneiden mußte und es vielleicht nicht ganz so auf den Millimeter ankam. Da die Viskose allerdings nur beim Nähen flutschig war und nicht beim Anziehen, habe ich den oberen Teil der Ärmel aus einem richtigen Viskosefutterstoff genäht. So ist das Gefühl beim Anziehen sehr angenehm, man rutscht schön in den Ärmel rein, und beim Umschlagen der Ärmel kommt trotzdem der hübsche gemusterte Stoff zum Vorschein.

Das Nähen war also ganz lustig, bis ich ans Ärmeleinsetzen kam…nachdem ich die Ärmel zum zweitenmal rausgetrennt hatte, weil sie nicht saßen, dämmerte es mir, daß ich hier doch mit einem richtigen Blazerschnitt zu tun hatte. Und so suchte ich zunächst aus meinem Vorrat die Schulterpolster raus und dann meine rudimentären Kenntnisse im Blazernähen, die ich mir beim Nähen des Jasika-Blazers von Closet Core erworben hatte. Mit Schulterpolstern saß die Jacke gleich um Klassen besser, und da waren dann ja auch noch diese netten Ärmelfischchen…schnell zugeschnitten aus Watteline, und dann war ich mit dem Sitz der Schultern doch etwas zufriedener.

Beim restlichen Nähprozess habe ich mich dann an die bewährte Anleitung von Closet Core gehalten. Insbesondere das Verstürzen des Futters, das überwiegend mit der Maschine gemacht wird, finde ich ausgesprochen lustig. So witzig, wie dann dann nach dem Wenden der schön gefütterte Blazer vor einem liegt! Das Anstaffieren mit der Hand wäre vielleicht korrekter, aber der Lustgewinn war so für mich größer. Wahrscheinlich gibt es immer verschiedene Wege , zum Ziel zu kommen.
Der Blazer ist sehr, sehr bequem. Er ist im Rücken eher lässig geschnitten, deshalb ist er auch für mich für alle möglichen Freizeitaktivitäten geeignet. Radfahren ist problemlos, Wanderen sowieso, wie hier gezeigt. Farbe und Material entsprechen vielleicht nicht ganz der üblichen Funktionskleidung, aber hej, wer hält sich mit solchen Kleinigkeiten auf, wenn ein rosafarbener Blazer in der Frühjahrssonne ausgeführt werden möchte?

Was mir nicht ganz so gut gefällt, ist meine Knopflösung. Ich hatte die Wahl zwischen 15 und 25 mm Knöpfen in der passenden Farbe und mich für die kleinere Version entschieden- das war keine gute Entscheidung, finde ich jetzt. Die größeren Knöpfe wären schöner, dann mit richtigen Paspelknopflöchern, das würde besser passen. Ich hatte auch schon die wahnwitzige Idee, das im nachhinein zu ändern…das Annähen von zwei neuen Knöpfen wäre natürlich nicht das Problem, aber Paspelknopflöcher im fertigen Kleidungsstück einnähen, das ist dann doch ein verwegener Gedanke. Ich habe ihn auch wieder verworfen und mich mittlerweile an die zu kleinen Knöpfe gewöhnt.

Ja, und die Jeans? Die sind immer noch in Planung, aber zunächst mußte ich einen anderen Hosenschnitt ausprobieren…mehr davon demnächst auf diesem Blog!
Verlinkt wird dieser Beitrag mit dem Blog Augensterns Welt – gerade habe ich entdeckt, daß Annette eine kleine, sehr feine Linkaktion dieses Jahr gestartet hat. Jeden Monat werden zu einem Thema selbstgenähte Kleidungsstücke gezeigt, und im März ist das Thema Jacke oder Blazer. Als ob ich es geahnt hätte und deshalb den Blazer genäht hatte! Ich finde es jedenfalls sehr interessant, bei dieser Linkaktion neue, mir völlig unbekannte Blogs kennen zu lernen. Die Nähwelt ist einfach vielfältig!