Ich nähe eigentlich ganz gerne Hosen, insbesondere Jeans machen ja schon Spaß. Die vielen Absteppungen, Taschen und die Möglichkeit, mit bunten Stoffen das Innenleben zu gestalten, das mag ich alles gerne. Aber die Anpasserei ist für mich immer noch eine Sache, vor der ich Respekt habe. Und Anpassen muß ich Hosen immer, denn meine Größe in der Taille ist meistens um zwei Größen über der des Hüftmasses. Mittlerweile habe ich ja schon gelernt, die Schrittkurve so zu gestalten, daß die Hosen über dem Po ganz gut sitzen. Alle Hosen hefte ich immer erst mal zusammen, bevor ich die Seitennähte schliesse, oft hefte ich dann auch noch den Bund dran und versuche, eine möglichst optimale Paßform zu erreichen.
Aber da geht das Problem ja schon los- was ist denn die optimale Paßform? Will ich eine Hose, die auf den Blogfotos toll aussieht, oder eher etwas im Alltag tragbares?
Die Frage ist nicht so banal, denn besonders auf Instagram sieht man ja schon viele Bilder von knackig angepaßten Jeans- natürlich werden alle im Stehen gezeigt. Sitzbilder von Hosen sieht man fast gar nicht . Das ist ja schon eigenartig, denn wir verbringen ja doch einen Großteil unseres Alltags im Sitzen, und da soll die Kleidung ja auch halbwegs bequem sein.
Also knackig eng möchte ich meine Jeans nicht haben, ich will mich ja damit bewegen können. Dazu braucht die Hose eine gewissen Mehrweite, aber an welchen Stellen und wieviel, das ist eine spannende Frage. So ist z.B. die Taillenweite im Sitzen deutlich größer als im Stehen. Beim Nachvornebeugen oder auch beim Sitzen braucht man an der rückwärtigen Oberschenkelseite viel mehr Länge, beim Stehen schiebt sich das dann als Falten zusammen. Auch eine spannende Frage: wann soll denn die Paßform optimal sein? Meine Figur ändert sich im Lauf des Tages, abends ist der Bauch dicker als morgens. Und die Jeans ist frischgewaschen enger als nach einigen Tagen Tragen, das ist eine völlig unberechenbare Größe. Auch das Alter der Hose spielt eine Rolle- ich habe Jeans aus dehnbaren Stoffen, die ich schon vor einigen Jahren genäht habe, und da hat das Elasthan einen Großteil seiner Rücksprungkraft eingebüßt.
All das versuche ich bei meiner Jeansnäherei zu berücksichtigen, aber es gelingt nicht immer. Schlecht gelungen war es mir bei dieser schönen Dawn-Jeans, die ich im letzten Jahr schon genäht hatte. Sie war immer schon recht eng- ich hatte ja gehofft, daß der Stoff etwas nachgibt, aber das ist ein schön stabiler Jeansstoff von MindtheMaker, der zwar 10% Polyester enthält und deshalb angenehm weich ist, aber eben kein Elasthan. Der Stoff gibt nicht nach, die Jeans sitzt eher hoch in der Taille, und im Sitzen drückte der Bund sehr unangenehm. Ich hatte also eine typische Stehhose produziert- sie befand sich meistens im Schrank.
Da ich aber den Stoff und vor allem die Farbe so schön fand, beschloss ich, sie zu ändern. Den letzten Anstoss gab Needforneedles, die eine Refashion-Linkparty ins Leben gerufen hat und als Thema Hosen behandelt. Jetzt mußte es sein!
Wie macht man eine Hose weiter? Klar, enger geht immer, aber zum Weiten muß man entweder die Nähte auslassen oder Stoff einfügen. Die Nähte bei Jeans sind meistens keine Option beim Jeans weiten. Ich nähe meine Jeansnähte als falsche Kappnähte, versäubere also die Nahtzugaben zusammen und steppe dann von rechts ab, da ist keine Reserve für mehr Weite. Also Stoff einfügen- das war in diesem Fall nicht so schwierig, da ich noch Originalstoff hatte.
Im Internet findet man viele Anleitungen, wie seitliche Keile in Hosen eingenäht werden. Man kann natürlich auch einen ganzen Streifen nehmen, aber dann wird das gesamte Hosenbein auch weiter- das wollte ich in diesem Fall nicht. Der Bund muß natürlich auch erweitert werden- wenn man das auch in der Seitennaht macht, wird die Änderung sehr offensichtlich. Ich wollte eher eine diskrete Änderung, deshalb wurde die Bunderweiterung in die hintere Mitte gesetzt.
Aber am Anfang steht ja immer das Auftrennen. Ich habe die Seitennähte im oberen Bereich aufgetrennt, und zwar so weit, wie die Abstepplinie in der Seitennaht reicht. Jeans haben ja in der Seitennaht eine typische Stepplinie, mit der der Taschenbeutel nochmals festgenäht wird. Dann wurde der Bund im hinteren Bereich abgetrennt, dabei habe ich sorgfältig darauf geachtet, daß ich bei den Absteppnähten immer genug Faden stehen ließ, damit ich die Enden dann vernähen konnte. Sonst ribbelt sich irgendwann die Ziernaht auf. Insgesamt habe ich etwa 90 Minuten mit dem Auftrennen verbracht.
Dann wurden die Keile seitlich eingesetzt und der Bund wieder angenäht. Den Bund hatte ich durch ein eingeähtes Rechteck auf die neue Länge gebracht, eine der Ansatzstellen ist unter der hinteren Gürtelschlaufe verborgen, und die andere stört nicht weiter. Wahrscheinlich wäre es noch schöner gewesen, einen ganz neuen Bund anzusetzen…genug Stoff hätte ich ja gehabt, aber das hätte auch das Nähen eines neuen Knopfloches im Bund bedeutet…davor wollte ich micht unbedingt drücken.
Und damit jeder Betrachter sieht, daß dieser dreieckige Einsatz unbedingt gewollt und geplant ist und natürlich ein Designelement, wurde er nochmal sichtbar abgesteppt. Das mache ich nämlich richtig gerne!
Die Bundabsteppung habe ich natürlich nicht mehr so ganz exakt hinbekommen, aber insgesamt bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Ich trage die Jeans jetzt sehr gerne, kann mich darin gut bewegen, sitzen und Fahrradfahren.
Unter dem Po bildet der Stoff einige Falten. Wenn ich das ändern wollte, müßte ich Weite aus den Oberschenkeln des Schnittes rausnehmen,und/ oder die Schrittkurve noch etwas nach unten vertiefen. Allerdings fürchte ich, daß sich das negativ auf die Bequemlichkeit auswirken würde. Ich lese auch grade immer wieder, daß die “ baggy jeans “ der neueste Trend sein werden…
Und wenn ich sie doch irgendwann zu weit finde, kann ich sie ja wieder ändern…
Vielleicht noch ein paar Worte zum Schnitt, denn der ist wirklich sehr zu empfehlen. Die Dawn-Jeans sind also für einen nicht dehnbaren Jeansstoff gedacht. Es gibt 4 verschiedene Längen und Beinformen, meine Hose ist die Option B mit dem geraden Bein und eine 7/8 Länge. Es gibt eine ganz ausführliche Anleitung, so daß dieser Schnitt unbedingt auch für Anfänger gut geeignet ist. Der Bund sitzt recht hoch, nämlich in der natürlichen Taille, das ist auch der Hauptunterschied zu den Gingerjeans von Closetcore, die ich schon einige Male genäht habe.
Ich war wirklich ganz glücklich, daß die Änderung der Hose so problemlos möglich war. Klar, über die neue und gut einsetzbare Jeans habe ich mich gefreut, aber für mich hat sich damit das Mysterium der Hosenanpassung wieder ein Stück mehr geklärt. Ich habe gelernt, dass ich bei einem nicht dehnbaren Stoff unbedingt dem Bauch etwas mehr Weite gönnen muss. Wahrscheinlich muss das gar nicht viel sein, mein eingesetzter Keil hat jetzt eine Breite von knapp 2 cm und ist fast etwas zu breit. Bei meiner nächsten Dawn- Jeans werde ich diese Änderung unbedingt schon im Schnitt einarbeiten.
Vor der Änderung und Auftrennerei hatte ich mich ja lange gedrückt. Im Endeffekt war es natürlich nicht so schlimm wie gedacht- man kann fast alles wieder auftrennen, was man mal genäht hat. Und natürlich war der Zeitaufwand der Änderung, das waren vielleicht drei Stunden insgesamt, viel geringer als die Zeit fürs Nähen einer ganzen Jeans.
Ich verlinke diesen Beitrag sehr gerne mit der neuen Linkparty sew unperfect von Inga mit dem Blog needforneedles. Inga beschäftigt sich schon lange mit dem Thema des nachhaltigen Nähens, und auf dieser neuen Linkparty sammelt sie Ideen, wie man Reparaturen oder Änderungen an Hosen durchführen kann. Ich finde das Thema sehr interessant- schaut doch einfach mal vorbei!
Super gelungen, deine Änderung; die eingesetzten Keile fügen sich bestens ins Design ein.
Und mir gefällt die lockere Passform.
Ich nähe ja auch gerne Hosen, weil ich sie nun mal gerne trage und muss am Schnitt auch immer hier und da etwas für mich ändern; ich gehe da im Prinzip genauso vor, wie du.
Um Änderungen anzugehen, muss ich mich auch immer erst länger überwinden.
Neulich erst habe ich ein Herrenhemd, das dem Gatten zu klein geworden ist, für mich umgearbeitet. Allerdings hing das Hemd zuvor wochenlang in meinem Nähzimmer, bevor ich mich an die Arbeit gemacht habe.
LG von Susanne
Liebe Susanne, vielen Dank! Ich finde es auch immer wieder interessant, wie schwer es einem fällt, sich für Änderungen aufzuraffen. Beruhigend, daß es Dir auch so geht! Wie hast Du denn das Herrenhemd für Dich umgearbeitet? Ich würde mich freuen, wenn Du es irgendwann auf Deinem Blog zeigst!
LG Barbara
Ich kann Susanne nur zustimmen, auch ich finde Deine Änderung sehr gelungen! Durch die Absteppungen sieht der Keil wie ein Design-Feature aus, das von Anfang gewollt war. Sehr interessant finde ich auch Deine Überlegungen, was eine gute Passform überhaupt ist. Gerade wenn man viel Zeit im Sitzen verbringen muss, hat man andere Befürfnisse an den Bund eines Rockes oder einer Hose… Und auch ich muss mich bei Änderungen immer erst überwinden, aber Dein Beispiel zeigt, es lohnt sich. LG Manuela
Liebe Manuela, danke! Ich freue mich ja sehr, daß der eingesetzte Keil anscheinend keinen stört, aber das ist mittlerweile auch mein Eindruck, wenn ich in den Spiegel schaue: das soll so.
LG Barbara
Das ist dir sehr schön gelungen. Damit hast du mir den Anstupser gegeben eine zu enge Hose auch anzupassen. Der Stoff hat auch keine Elastizität, und ist wie bei Dir eine Stehhose. Aufgetrennt habe ich Sie schon. LG Jeanette
Liebe Jeanette, wenn Du schon aufgetrennt hast, ist doch der Großteil der Arbeit schon geschafft! Ich glaube es ist wichtig, daß man die Bunderweiterung nicht direkt über den Keil einsetzt, sondern irgendwo anders- sonst schreit das so danach, daß die Hose nachträglich geändert wurde…
LG und Danke,
Barbara